Erfahrungsbericht: Wochenbettdepression

Wochenbettdepression

# momtal health kolumne

Wochenbettdepression - ein Erfahrungsbericht

– Gastbeitrag von Momunity-Userin Vanessa über ihre Erfahrung einer Wochenbettdepression –

Den Geburtsvorbereitungskurs machten mein Mann und ich an einem Wochenende Anfang November 2020 natürlich wegen der Pandemie online und noch immer isoliert. Im Vergleich mit den anderen werdenden Müttern, mit denen ich im Austausch stand, stellte ich fest, dass ich mir irgendwie mehr Sorgen und Gedanken über die Geburt machte. Wahrscheinlich auch, weil meine Schwangerschaft bis dato nicht ganz unkompliziert und stressfrei verlaufen ist. 

Ich erkundigte mich nach Anlaufstellen und suchte eine entsprechend geschulte Psychologin sowie die örtliche Anlaufstelle der EEH ‚Emotionelle Erste Hilfe‘ auf, von der ich vorher noch nie gehört hatte. Bis Mitte Januar 2021 genoss ich noch die „Bonuswochen“ meiner Schwangerschaft nach den vorzeitigen Wehen. Und ich schaffte es sogar noch einen Gipsabdruck von meinem Bauch zu machen, obwohl ich nie wirklich hochschwanger aussah. Insgesamt nahm ich nämlich nur 5-6 kg zu. Ich war frohen Mutes und wollte eigentlich nur noch einmal die EEH zur Geburtsnachbesprechung aufsuchen. Doch dann kam alles anders.
 

Wochenbettdepression? Die größte Challenge meines Lebens oder: "Hauptsache der Familie geht es gut."

Um kurz nach Mitternacht platzte meine Fruchtblase. Unserem Sohn war also 2 Wochen vor ET, sein Ein-Zimmer-Appartement zu eng geworden. Mein Mann und ich fuhren zur Geburtsklinik. Diesmal war es also wirklich so weit. Vormittags schneite es leicht, wie ich vom Bett aus beobachten konnte. Aufgrund der Schmerzen wollte ich nur liegen, auch wenn dies heute als Gebärposition nicht empfohlen wird. Im Laufe der Geburt lernten wir drei Hebammen kennen. Tatsächlich hatte ich das „Glück“ einer 1:1-Betreuung, doch nach der Nachtschicht lernten wir die Frühschicht und dann auch noch die Hebamme aus der Tagschicht kennen. Mit diesem Schichtwechsel ging die Geburt in die entscheidende Phase und leider kippte dann auch die Stimmung. Über meinen Kopf hinweg wurden Wehentropf, Saugglocke, Kristellergriff und später auch der Notkaiserschnitt unter Vollnarkose entschieden. Mein Sohn war also, so wie ich selbst, auch per Notkaiserschnitt auf die Welt gekommen und erst mal von mir, seiner Mutter, getrennt.

Anstatt großer Freude fühlte ich eine große innere Leere geprägt von Emotionslosigkeit.

Nach einer Woche in der Geburtsklinik waren wir endlich zu Hause. Es war Anfang Februar 2021. Mein Mann hatte vier Wochen Resturlaub genommen, um uns zu unterstützen und meine Eltern wohnen zum Glück auch vor Ort. Das Wunschkind war nun endlich gesund und munter da. Doch anstatt großer Freude fühlte ich nur Dankbarkeit, dass wir nun eine Familie waren. Und vor allem fühlte ich, dass ich völlig neben mir stand. Eine große innere Leere geprägt von Emotionslosigkeit. Ich dachte, ich würde mir einmal gerne die ersten Babyfotos meines Kindes ansehen. Nein, so ist es bis heute nicht. Es gibt Fotos von uns – doch in meinen Augen sieht man die Leere. Keine Spur von Freude und Glück. Bilder, mit denen ich wenig verbinde und an die ich kaum Erinnerung habe. Alles war wie im Nebel. 

Meine Nachsorgehebamme fand meinen Zustand für eine junge Mutter völlig normal. Auf Nachfrage erwähnte sie die Psychologin, die ich bereits vor der Geburt zwei, dreimal Mal aufgesucht hatte. Die EEH, die Hausbesuche gemacht hatte, war dann auch schnell mit ihren Kompetenzen (Massage, Rescue Tropfen) am Ende. Auf einen erneuten Gesprächstermin musste ich wochenlang warten. Zwischenzeitlich ruhte ich mich auf dem Sofa aus und las einiges.  

DER SELBSTTEST MEINER WOCHENBETTDEPRESSION

Ich fing an zu googlen, aber es dauerte, bis ich die „richtigen“ Suchbegriffe fand. Wochenbettdepression, Gewalt unter der Geburt, Roses Revolution, selbstbestimmte Geburt waren mir da noch völlig neu – trotz Geburtsvorbereitungskurs und Schwangerschaftsratgebern.  

In einem Babymagazin las ich dann auch erstmalig vom Verein ‚Schatten und Licht‘, in dem ich heute Mitglied bin. Ich machte einen Selbsttest und der sogenannte ‚Edinburgh Fragebogen‘ bestätigte mein Gefühl: Mir ging es seelisch nicht gut. Ich funktionierte, aber ich lebte nicht. Ich war nur körperlich anwesend.
 
Es war also höchste Zeit eine ambulante Gesprächstherapie zu beginnen. Meine Psychologin sprach später von einer sogenannten Anpassungsstörung, eine eher leichte Form der peripartalen Erkrankungen wie Fachleute Wochenbettdepressionen nennen. Bei mir spielte sicher die Coronapandemie auch eine entscheidende Rolle, denn wir mussten eher um Besuch betteln, als dass wir im Wochenbett überrannt worden wären. Jeder war vorsichtig, zurückhaltend und verunsichert ob des Risikos der Ansteckung. So war nicht nur die Welt um mich herum eine ganz andere geworden, sondern auch mein Leben. Ich war nun Mutter, 24/7.

Mir ging es seelisch nicht gut. Ich funktionierte, aber lebte nicht. Ich war nur körperlich anwesend.

Weil ich wissen wollte, was mir passiert war, googelte immer weiter. Und weil ich wissen wollte, ob es anderen auch so ergeht, besuchte ich ab Mitte 2021 Krabbelgruppen. Doch dort war ich eher ein Einhorn, obwohl statistisch deutlich mehr Mütter an einer Wochenbettdepression erkranken, aber nicht jede traut sich vielleicht auch ihre Beschwerden und Ängste zu äußern. Das Buch „Es ist vorbei – ich weiß es nur noch nicht: Bewältigung traumatischer Geburtserfahrungen“ von Tanja Sahib, was ich in dieser Zeit entdeckte, war für mich sehr prägend und hilfreich. 

Wochenbettdepressionen sind in ihrer Ausprägung sehr unterschiedlich, die Ursachen vielschichtig und so individuell wie die betroffenen Mütter – aber auch Väter (Partner/-innen) – selbst. Bei mir spielte der Verlauf der Schwangerschaft und der Geburt sicherlich eine große Rolle. Aufgrund meines gewaltvollen Geburtserlebnisses meide ich bis heute die Geburtsklinik, nehme seitdem an der jährlichen Roses Revolution (25.11.) teil und empfinde das Ereignis bis heute als traumatisch. Aber ich habe es mittlerweile geschafft, die Geburt als solche zu verarbeiten und bin nun in meiner Mutterrolle angekommen.

WAS MIR geholfen hat die WOCHENBETTDEPRESSION zu bewätligen

Mein Sohn ist mittlerweile 3 Jahre alt. Die ersten Monate meines Sohnes habe ich allerdings nicht wirklich wahr genommen. Ich war gefühlt nie Mutter eines Babys, ich war direkt die Mutter von einem Kleinkind. Ja, das ist sehr schade und bedauerlich, aber gleichzeitig bin ich auch sehr froh, den Nebel überwunden zu haben und genieße jetzt die gemeinsame Zeit mit meinem Sohn vielleicht umso bewusster. Ich freue mich über seine Fortschritte und genieße die Interaktion mit ihm. Es hat gedauert eh die Mutter-Kind-Bindung entstanden ist, aber nun ist sie da. 

Ich bin sehr dankbar, dass mein Mann uns unterstützt hat und viel aufgefangen hat und ich bin froh, dass ich mich ungefähr nach einem Vierteljahr entschlossen habe, die frühe Hilfen zu kontaktieren. Die Familienhebamme, die uns bis zum Ende des 1. Lebensjahres besucht hat, war eine große Hilfe für uns. Die individuellen Gespräche, die Reflektionen unseres Alltages waren dabei sehr hilfreich.

Ich bin froh, soweit gekommen zu sein. Dass wir als Familie jetzt soweit gekommen sind. Unser Sohn läuft, spricht, wird immer selbstständiger. Aber ich weiß nicht, ob ich noch einmal so viel Kraft und Energie aufbringen könnte. In Erinnerung geblieben, ist mir der weit verbreitete Satz „Hauptsache dem Kind geht es gut“. Nein! Hauptsache der gesamten Familie geht es körperlich und mental gut. Denn nur wenn es den Eltern gut geht, geht es auch den Kindern gut !!!

 

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