Postpartale Depression – ein Erfahrungsbericht

Postpartale Depression Momunity

#MOMUNITY MOM KOLUMNE

POSTPARTALE DEPRESSION - EINE REISE ZU SICH SELBST

Etwa 15% der Frauen erleiden nach der Geburt ihres Kindes eine postpartale Depression. Die Dunkelziffer wird noch auf ein Vielfaches höher geschätzt – nicht zuletzt aus großer Scham. Umso wichtiger, dass wir diese Krankheit in unsere Mitte nehmen und darüber sprechen, um allen betroffenen Mamas da draußen zu zeigen, dass sie damit nicht allein sind und ihnen Mut zu machen, sich Hilfe zu holen. 

Unsere Momunity Mama Hannah erzählt von ihrer Erfahrung einer postpartalen Depression und was sie aus dieser Krankheit für sich selbst mitgenommen hat. 

Ein Gastbeitrag von Momunity Mama Hannah Nehlsen:

Bevor ich meine Kinder bekam, war ich Grundschullehrerin, ein bisschen alternativer und offener als der Mainstream, doch mit recht klaren Vorstellungen, wie man mit Kindern umzugehen hat. Dann wurde ich schwanger und ich begann mich unwohl zu fühlen. Ich spürte, dass da etwas auf mich zurollte, was ich nicht kannte und das machte mir Angst. Doch diese Angst ließ ich nicht zu, denn Gefühle spielten bis dato keine große Rolle in meinem Leben. Ich war verheiratet, hatte einen Beruf. Und nun stand Kinderkriegen auf der Liste. Was sollte da schon schief gehen.

Meine Erste Zeit als Mama - anders als vorgestellt

Unsere Tochter wurde geboren und nach ein paar Tagen im Krankenhaus, ging es zurück nach Hause. Und wie soll ich es anders sagen, ich hatte Angst. Große Angst.

Aufgrund meiner Geburtsverletzungen hatte mein Mann schon im Krankenhaus die Kleine oft übernommen, wenn sie weinte. Doch in meinem Kopf wurde die Stimme immer lauter, dass ich nun bitte auch wieder fit zu sein habe. Ich hatte doch „nur“ ein Kind bekommen und müsste so langsam mal wieder aufstehen. Mein innerer Kritiker wurde so richtig laut. Und es gelang mir weder ihn auszustellen noch ihn zu befriedigen. An eine postpartale Depression dachte ich garnicht. Und so verdrängte ich das, was ich fühlte und tat das, was ich schon immer gemacht hatte: Augen zu und durch. Gepaart mit knallharter Disziplin.

Unsere Tochter wurde geboren und nach ein paar Tagen im Krankenhaus, ging es zurück nach Hause. Und wie soll ich es anders sagen, ich hatte Angst. Große Angst.

Doch dieser Plan ging nach hinten los. Hatte ich sonst vieles in meinem Leben mit Struktur und To-Do-Listen erreicht, waren das dieses Mal die falschen Strategien.

Gerade Struktur und Baby sind zwei weit voneinander entfernte Pole. Doch das wusste ich damals nicht bzw. war es mir nicht möglich, dies zu akzeptieren. Ich konnte nicht loslassen und wurde gleichzeitig immer frustrierter und trauriger. Und ich wurde wütend.

Nie im Leben hatte ich eine so große Wut in meinem Leben gespürt. Ich war auf alle wütend. Auf alle anderen, dass sie mir nicht gesagt hatten, wie anstrengend es ist ein Baby zu haben. Auf meinen Mann, der einfach wieder arbeiten gehen konnte. Auf mich, dass ich es nicht besser hinkriegte. Und auf unser Baby, das so viel Nähe brauchte und trotzdem gefühlt immer jammerte.

Und so verdrängte ich das, was ich fühlte und tat das, was ich schon immer gemacht hatte: Augen zu und durch. Gepaart mit knallharter Disziplin. 

Doch gleichzeitig konnte ich mir diese Wut nicht erlauben. Ich schämte mich in Grund und Boden dafür. Und deswegen musste ich sie verstecken, im Grunde vor allen. Das war anstrengend.

Im Babykurs tat ich immer so, als ob alles in Ordnung sei. In meiner Wahrnehmung war das nämlich bei allen anderen so. Jede stillte ihr Baby nach Bedarf und schaffte das alles auch noch allein. Denn so oft wurde davon berichtet, dass der Papa aus dem Bett auszog. Das war bei uns in den Nächten, die mein Mann da war, undenkbar.

Ich war auf alle wütend. (…) Doch gleichzeitig konnte ich mir diese Wut nicht erlauben. Ich schämte mich in Grund und Boden dafür. Und deswegen musste ich sie verstecken, im Grund vor allen. 

Erste Schritte auf dem Weg zu mir selbst

Die Wut begleitete mich lange, und sie ist immer noch meine Wegbegleiterin. Doch inzwischen habe ich keine Angst mehr vor ihr. Sie ist eine Hinweisgeberin für mich geworden, dass ich mich nicht ausreichend um mich kümmere und wieder mehr Zeit für mich brauche.

Doch damals war ich noch nicht an diesem Punkt, ich war wütend, und ich wollte das weghaben, denn in meinen Augen war die perfekte Mutter niemals wütend. Sie war sanftmütig, schlank, entspannt und jederzeit für die anderen da und ging natürlich nach einem Jahr auch wieder Vollzeit arbeiten. Diese Idee wie eine Mutter zu sein hat, die Erwartungen, die wir als junge Mamas spüren oder zu spüren meinen, sind so toxisch. 

In meinen Augen war die perfekte Mutter niemals wütend. ch war auf alle wütend.

Hinzu kam, dass ich damals gar nicht in der Lage war, meine Erwartungen von den Erwartungen anderer zu trennen. Ich war so lange nur im Außen verhaftet gewesen, bemüht die Erwartungen der anderen zu erfüllen, dass ich gar nicht wusste, was ich wollte. Das zeigte mir meine Wut ganz deutlich.

Irgendwann wurde mir klar, dass ich eine postpartale Depression hatte und es so nicht mehr weitergehen durfte. Ich überlebte die Tage nur noch. Ich verstand meine Symptomatik als postpartale Depression, suchte Hilfe bei Schatten und Licht (https://schatten-und-licht.de/) und begann irgendwann eine Therapie.

Zunehmend besser verstand ich, dass es mir gutgehen darf. Dass ich mich um mich kümmern darf und muss, um gut für mein Kind da zu sein. 

Und dann las ich etwas von Bedürfnissen, die ich haben darf, und die ich mir sogar auch noch erfüllen durfte. Damals war ich zu fertig, um damit viel anfangen zu können, doch es legte einen Samen in mich und die Pflanze begann zu sprießen.

Zunehmend besser verstand ich, dass es mir gutgehen darf, dass ich mich um mich kümmern darf und muss, um gut für mein Kind da zu sein. Und ich verstand, dass ich dafür Unterstützung brauche.

Steht zu eurem Zustand. Bittet Freunde um Hilfe und nehmt auch euren Partner*in in die Verantwortung. 

„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.“ Dieses Sprichwort ist gefühlt in aller Munde, doch die Realität ist anders. Und deshalb ist es so wichtig, sich Hilfe zu holen. Steht zu eurem Zustand, bittet Freunde um Hilfe und nehmt auch euren Partner*in mit in die Verantwortung. 

Es ist so wertvoll, dass es Plattformen wie Momunity gibt, um sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Denn dazu möchte ich jede Frau mit Baby ermutigen, die gerade einfach nur fertig ist. ‚Schatten und Licht‘ ist zudem eine wunderbare Anlaufstelle mit kostenlosen Beratungen und Empfehlungen für Therapiemöglichen einer postpartalen Depression. 

Und dann gibt es so viele weitere Möglichkeiten, sich nach Menschen umzuschauen, die einem mal das Baby abnehmen oder die Wohnung putzen, zum Beispiel solche Organisationen wie wellcome.de.

Inzwischen habe ich schon viel Geld in meine eigene Entwicklung investiert und bin froh darüber. Denn mit Begleitung geht sich der Weg einfacher!

In diesem Workbook las ich, dass Gefühle ihre Berechtigung und ihren Sinn haben und fiel fast vom Stuhl. Ich hatte doch gelernt, sie immer schön wegzupacken. Vernunft wurde schon in meiner jüngsten Kindheit großgeschrieben.

Und auf Gefühle sollte ich nun plötzlich hören.

Und was hat das mit meinem Kind gemacht?

Lange hat mich verfolgt, was mein Verhalten und meine Traurigkeit – ja meine postpartale Depression – wohl mit meinem Baby gemacht haben. Ich war auf der Suche nach irgendjemandem, der mit Absolution erteilt. Gefunden habe ich diese Person nicht. 

Doch zwei wichtige Aspekte habe ich verstanden: 

1. Bindung lässt sich ein Leben lang reparieren

2. Nur ich selbst kann mir verzeihen.

Ich konnte annehmen, dass ich dam als das tat, was mir möglich war, und das war in dem Moment das Beste, was mir möglich war. Nun bin ich im Heute und tue jeden Tag das beste, was wir gerade möglich ist. 

 

Vielen Dank für Deine offenen Worte, liebe Hannah! Wir wünschen Dir auf Deiner weiteren Reise alles Gute.

Du benötigst Hilfe?

Obwohl du als frisch gebackene Mama eigentlich überglücklich sein müsstest, fühlst du dich abgeschlagen und traurig? Du hast Schwierigkeiten dich in der neuen Mutterrolle einzufinden und zweifelst an dir selber? Du erkennst dich in der Symptomatik einer postpartalen Depression wieder? Hol dir unbedingt professionelle Hilfe und schäme dich nicht für deine Situation. Es geht so vielen Mamas so. Hier findest du ein paar Anlaufstellen, an die du dich wenden kannst:

1. Schatten und Licht e.V.: www.schatten-und-licht.de

2. Profamilia: www.profamilia.de

3. Deutsche Depressionshilfe: www.deutsche-depressionshilfe.de

Übrigens: Am 17.05. startet Hannah einen Onlinekurs für alle Mamas im ersten Babyjahr, denen es schwerfällt in ihrer neuen Lebenssituation anzukommen. 

Mehr Infos gibt es unter: https://kirchenkreis-reinickendorf.de/blog/101417

MOMUNITY MOM // HANNAH NEHLSEN
MOMUNITY MOM // HANNAH NEHLSEN

Hannah ist (ehemalige) Grundschullehrerin und selber Mama von 2 Kindern. Nach der Geburt ihrer 1. Tochter ist sie in ein tiefes Loch gefallen und hat auf dem Weg zurück ins Leben viel über sich selbst gelernt. Das möchte sie nun an junge Mamas weitergeben. Daher begleitet sie Mütter, denen es im 1. Babyjahr nicht gut geht. Sie bietet mittlerweile Kurse an, in denen es Raum für den Austausch gibt und gleichzeitig theoretische und entspannende Inputs, um zurück zur eigenen Lebensfreude zu finden.
Du findest sie auf Facebook und Instagram unter Hannah Nehlsen. Schreib sie gern an.

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