Interview: Postpartale Depression – Symptome & Ursachen

Tired Mother Suffering from experiencing postnatal depression.Health care single mom motherhood stressful.
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EXPERTINNEN-INTERVIEW MIT PSYCHOLOGIN NATALIE SAMIMI - TEIL 1

POSTPARTALE DEPRESSION: SYMPTOME & URSACHEN

Postpartale Depression? Wir alle kennen den Begriff ‚Mental Health‘, der für die psychische Gesundheit steht. Bei ‚Momtal Health‘ geht es um das emotionale, körperliche und soziale Wohlbefinden von Schwangeren und Müttern. Wir haben ihn kreiert, um mit Momunity auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen, es zu enttabuisieren und entstigmatisieren.

Dazu gehört unter anderem auch die Wochenbettdepression. Wusstest du, dass 10 bis 15 Prozent aller Frauen weltweit davon betroffen sind? Im ersten Teil unseres Expertinnen-Interviews mit der Psychologin & Therapeutin Natalie Samimi erfährst du mehr über die häufigsten Symptome und die Entstehung einer Postpartaldepression.P

Mamasein ist eines der schönsten Dinge, die eine Frau erleben kann. Doch worüber kaum gesprochen wird: Viele Mütter entwickeln nach der Geburt depressive Verstimmungen, die eine Postpartale Depression nach sich ziehen kann. Was genau versteht man darunter?

Wenn nach zwei Wochen und innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Geburt Symptome wie Interessenverlust, Freudlosigkeit, starke Erschöpfung, depressive Verstimmungen, innere Leere oder Antriebsmangel auftreten – also sozusagen die Leitmotive einer Depression – kann von einer Postpartalen Depression ausgegangen werden. Es können sich auch Symptome wie Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit oder Suizidgedanken zeigen.

Bei einer Wochenbettdepression zeigen sich außerdem gewisse Besonderheiten: Oftmals glauben Mütter, sie seien der Mutterrolle nicht gewachsen, haben Angst nicht zu genügen und sehen ein großes Misslingen ihrerseits. Versagensängste und Gedanken wie: “Ich bin keine gute Mutter” kommen häufig hervor. Betroffene Frauen sind emotional äußerst labil, manche von ihnen können keine positiven Gefühle für ihr Kind entwickeln oder leben in übermäßiger Sorge um das Baby.

Der Höhepunkt der Erkrankung liegt meist im dritten Monat nach der Geburt. Was aber kaum jemand weiß: Eine Wochenbettdepression kann auch noch Monate und bis zu zwei Jahre nach der Geburt auftreten und ist die häufigste psychische Störung bei Frauen nach der Entbindung. Sie betrifft etwa 10 bis 15 Prozent aller Mütter weltweit, die Dunkelziffer ist jedoch weitaus höher.

Oftmals glauben Mütter, sie seien der Mutterrolle nicht gewachsen und haben Angst, nicht zu genügen.

Viele von uns kennen den „Baby Blues“ in der ersten Woche nach der Geburt. Doch wo liegen eigentlich die Unterschiede zur Postpartalen Depression und woran erkennen wir, dass dieser Zustand mehr ist als nur eine kurzzeitige Verstimmung?

Der Babyblues beginnt aufgrund der starken Hormonumstellung zwischen dem dritten und fünften Tag nach der Geburt und kann bis zu zwei Wochen andauern. Er zeigt sich durch vermehrtes Weinen und starke Erschöpfung, mit traurigen Gedanken, emotionaler Verletzlichkeit und depressiven Momenten, Schlaflosigkeit und Appetitverlust. Oder auch durch eine große Sorge um das Kind.

Diese Symptome haben 70 bis 80 Prozent der Frauen nach der Geburt. In den ersten zwei Wochen sind die vielen unterschiedlichen Gefühle und diese Weichheit jedoch ganz normal –  vor allem aber sind sie vorübergehend und müssen nicht behandelt werden. Bei einer Wochenbettdepression ist das nicht der Fall. Wenn das Stimmungstief anhält und nicht aufzuhören scheint, steht die Frage nach einer Postpartaldepression im Raum und es kann Hilfe notwendig sein.

Wochenbettdepression
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Aus welchen Gründen entsteht so eine depressive Verarbeitung?

Die Gründe für eine depressive Verarbeitung sind vielfältig. Frauen, die bereits depressive Störungen in ihrem Leben hatten, haben ein erhöhtes Risiko, auch eine Postpartale Depression zu entwickeln. Auch Stress kann die Entstehung einer Wochenbettdepression beeinflussen. Wenn zum Beispiel die Zeit nach der Geburt sehr turbulent und belastend ist, kann der Körper mit einer Verstimmung reagieren, damit die Frauen einen Gang zurückschalten und sich von der Geburt erholen können. Manche Frauen wiederum haben bereits ein traumatisches Erlebnis in ihrer Biografie oder unter der Geburt eine traumatische Erfahrung gemacht. Auch Konflikte in der Partner*inschaft können eine Rolle spielen.

Einige Frauen fühlen sich stark überfordert, weil die Kinder sehr anspruchsvoll oder vielleicht sogar krank sind. Manche Kinder haben auch ein ganz anderes Temperament als ihre Eltern oder die Geschwisterkinder und das ist für viele eine große Herausforderung. Man kommt an seine Grenzen und weiß nicht mehr weiter. Dieses Ohnmachtsgefühl und die Hilflosigkeit sind für die Entstehung einer postpartalen Depression wichtige Faktoren. Frauen fehlt es an Bewältigungsstragien durch die neue Lebenssituation – gerade auch bei Frauen, die noch nie unter depressiven Verstimmungen gelitten haben.

Wirklich viele Frauen brauchen auch erst einmal Zeit, um in ein Muttergefühl hineinzukommen und entwickeln mitunter auch widersprüchliche Gefühle gegenüber ihrem Baby, wie zum Beispiel, dass sie ihr Kind nicht gleich von der ersten Sekunde an lieben können. Wenn sie sich das eingestehen, kommen schnell schambesetzte und schuldhafte Gedanken und Versagensängste. Diese Gefühle sind für Betroffene extrem belastend und so bleiben sie für sich, ziehen sich immer mehr zurück und verarbeiten immer mehr depressiv.

Viele Frauen brauchen erst einmal Zeit, um in ein Muttergefühl hineinzukommen.

Die Idee zur Momunity App ist aus dem Gefühl der sozialen Isolation enstanden. Wir wissen also als Mamas selbst, wie allein man sich besonders in der ersten Zeit mit Baby fühlen kann. Wie schätzt du den Einfluss von Einsamkeit auf eine Postpartale Depression ein?

Tatsächlich haben psychosoziale Belastungen, wie soziale Isolation und das Gefühl von unzureichender Unterstützung, großen Einfluss auf die Entwicklung einer postpartalen Depression. Auch wenn es natürlich viele verschiedene Gründe gibt, warum eine Wochenbettdepression entsteht, belegen Studien, dass fehlende soziale Unterstützung ein ganz großer Faktor ist, der den Verlauf einer Wochenbettdepression negativ beeinflussen kann. Von daher kann sich eine Plattform wie Momunity, die sich speziell an Mütter richtet und Frauen in ähnlichen Lebenssituationen verbindet, durchaus positiv auf die mentale Gesundheit auswirken – gerade in einer fragilen Phase wie dem Wochenbett.

Wochenbettdepression
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Spielen auch Faktoren wie der digitale Informations-Overload sowie der sozialmediale Druck ‘perfekt sein zu müssen’ bei der heutigen jungen Müttergeneration eine Rolle?

Auf jeden Fall. In den sozialen Medien wird oft suggeriert, wie du als Mutter zu sein hast und dass deine eigenen Bedürfnisse gar nicht mehr wichtig sind. Dieses Bild der perfekten Mutter ist heute so sehr vorgegeben, dass andere Gefühle gar keinen Raum finden und Frauen sich kaum noch trauen, über ihre eigenen Emotionen und Gedanken zu sprechen.

Es wird viel verglichen, um sich in diesem Anspruch der gesellschaftlichen Perfektion selber zu bestätigen und es entstehen Konkurrenzsituationen zwischen Müttern, die ich auch noch gut aus meiner Zeit als Hebamme kenne.

Aussagen wie: “Mein Kind schläft schon durch” oder “Ich hatte so eine tolle Geburt” hegen bei Frauen, bei denen es schwieriger ist oder war, oftmals Selbstzweifel und das Gefühl von Misslingen. Diese Frauen werden immer stummer und trauen sich nicht zu sagen: “Ich fühle mich gerade nicht so wohl” oder “Mir geht es nicht gut”.

Das Bild der perfekten Mutter ist heute so sehr vorgegeben, dass andere Gefühle gar keinen Raum finden.

Sind die Zahlen der Frauen, die an Postpartaldepressionen leiden, im letzten Jahr unter Corona gestiegen?

Das ist nur mein persönlicher Eindruck aus meiner Praxis, aber durch die Pandemie ist der Bedarf an Therapien tatsächlich stark angestiegen. Das gilt generell für Angststörungen und depressive Verstimmungen, aber auch gerade im postpartalen Bereich hatte ich bislang noch nie so viele Anfragen.

Ich finde es tatsächlich auch erschreckend, welche Auswirkungen die soziale Isolation in den Kliniken auf die Geburtserfahrung hat. Zum Beispiel dadurch, dass die Väter gar nicht mehr lange bei der Geburt dabei sein können. Oder dass Frauen auch nach der Geburt in einer solch sensiblen Zeit stark isoliert sind und vereinsamen, weil keine Rückbildungskurse stattfinden, bei denen sie Gleichgesinnte treffen und kennenlernen können.

NATALIE SAMIMI

NATALIE SAMIMI

Als Psychologin, Systemische - und Hypnotherapeutin begleitet Natalie Samimi Menschen aller Altersstufen in Krisen- und Entscheidungssituationen. Ihre Leidenschaft gilt jedoch dem Thema Postpartale Depressionen. Denn während ihrer früheren Arbeit als Hebamme und Stillberaterin hat sie gemerkt, wie groß der Bedarf bei Frauen und Familien und wie wenig erforscht der ganze Bereich auch heute noch ist. Der Expertin liegt es besonders am Herzen, für das Thema zu sensibilisieren und der Diagnose ‘Wochenbettdepression’ ihren Schrecken zu nehmen.

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